Das Prinzip der Reziprozität lässt auch Unbekannte miteinander kooperieren

Wie kooperieren Menschen ohne Sicht- und Sprechkontakt? Besser als gedacht, wie ein Experiment zeigt..

Zusammenarbeiten, ohne sich jemals physisch zu treffen – die Digitalisierung macht es möglich. So werden für Konferenzen keine Flugzeuge bestiegen, Einschulungen online durchgeführt und Deals per VoIP besiegelt. Ein paar Rechner und eine gute Internet-Verbindung reichen vollkommen aus.

Aber wie sieht es mit der Kooperations-Qualität in der neuen, digitalen Arbeitswelt aus? Ein Forschergruppe entwarf zur Klärung dieser Frage ein Experiment, stellte zwei von einer Wand getrennte Computer auf und band die daran arbeitenden Testpersonen an den Enden eines Seiles fest. Der Clou: Das Seil war nicht besonders lange, daher konnte immer nur ein Proband seinen Rechner erreichen, um Punkte zu sammeln.

Da vor Experimentbeginn keine Absprachen getroffen werden konnten, kam es ganz auf die Kooperation der Punktesammler an. Es zeigte sich, dass sich die Teilnehmer im Grossen und Ganzen recht fair verhielten und einander regelmässig gegenseitig zum Zug kommen liessen.

Kooperation wird als weibliche Eigenschaft eingeschätzt

Danach wurden die Personen über ihre Einschätzung des unsichtbaren Gegenübers befragt. Je reibungsloser die Zusammenarbeit, desto eher schätzten die Befragten ihren Partner als kooperativ, weiblich und eher klein ein. Bei ruppigerem Seilziehen wurde die verborgene Person meist als eher egoistisch, gross und männlich beschrieben.

Das Resümee der Autoren lautet daher:

In summary, our results suggest that people collect social information and make inferences about their interaction partner even when possibilities for communication are minimalistic. It is noteworthy that a reciprocal “turn-taking behavior” automatically emerged in the interactions and manipulating this behavior influenced the perception of cooperativeness as well as person-related inferences of the partner.

Quelleir Dong-Seon Chang, Franziska Burger, Heinrich H Bülthoff and Stephan de la Rosa; The Perception of Cooperativeness Without Any Visual or Auditory Communication; i-Perception December 2015