Einmal kriminell, immer kriminell? Wie die Salienz krimineller Identität weitere Regelbrüche beeinflusst

Ein Experiment in einem Gefängnis zeigt: Je deutlicher Regelbrechern ihre kriminelle Identität bewusst ist, desto wahrscheinlicher sind weitere Vergehen.

Eine experimentelle Studie beschäftigt sich mit möglichen Ansätzen der Kriminalprävention, und dabei vor allem mit den Auswirkungen der sozialen – im konkreten Fall: kriminellen – Identität auf das weitere Verhalten von bereits verurteilten Verbrechern. Alain Cohn von der University of Chicago und Michel Maréchal von der Universität Zürich untersuchten dazu, ob die Salienz der persönlichen kriminellen Vergangenheit möglicherweise weitere Regelverletzungen anregen kann.

Die Probanden waren 182 männliche Insassen eines Schweizer Hochsicherheitsgefängnisses. Zur Einleitung des Experiments wurde der Hälfte der Gefängnisinsassen Fragen gestellt, die sie an ihre Delikte erinnerte (“Wie lautete Ihr Urteil?”). Die restlichen Männer – die Kontrollgruppe – wurden zu anderen Themen befragt, etwa, wieviele Stunden pro Woche sie vor dem Fernseher verbringen.

Allein mit zehn Münzen

Danach sollten die Teilnehmer unbeobachtet zehnmal eine Münze werfen. Bei Kopf durfte die Münze behalten werden, bei Zahl nicht. Es stellte sich heraus, dass jene Strafgefangenen, die zuvor an ihre kriminelle Identität erinnert worden waren, in fast einem Drittel der Fälle betrogen. In der Kontrollgruppe waren es nur ungefähr 20 Prozent.

Dasselbe Prozedere auf Menschen ohne kriminelle Vergangenheit angewandt zeigte übrigens kaum Auswirkungen, was zeigt, dass vor allem die Salienz der persönlichen kriminellen Identität Regelbrüche anregt. Identität wirkt in diesem Falle also stark auf Entscheidungsprozesse. Die Autoren folgern aus ihren Ergebnissen:

From a policy perspective, our results raise the possibility that legal sanctions can have side effects with unintended consequences. Convictions often come along with collateral consequences, such as deprivations of civil rights, loss of professional licenses, or restricted access to public benefits. The intended deterrent effects of these consequences may come at the cost of reminding convicts of their criminal identity, which may increase their risk for relapse.

Quelle: Alain Cohn, Michel André Maréchal, Thomas Noll: Bad Boys – How Criminal Identity Salience Affects Rule Violation, CESIFO WORKING PAPER NO. 536, May 2015