Wie die Sprache unser Verhalten beeinflusst

Verhaltensökonom Keith Chen sagt: Ob wir Sparziele einhalten, viel oder wenig rauchen oder für die Zukunft vorsorgen, hängt auch davon ab, welche Muttersprache wir sprechen.

Wie die Sprache unser Verhalten beeinflusst

Pieter Brueghel der Ältere, Turmbau zu Babel (kurz vor der babylonischen Sprachverwirrung), 1563; Lizenz: Public Domain

Sprache strukturiert unser Denken – ein Zusammenhang, der längst ausser Zweifel steht. Doch wie sieht das bei unserem Verhalten aus? Wird es ebenfalls von unserer Muttersprache – oder genauer: deren Struktur, der Grammatik – beeinflusst?

Immerhin ist unbestritten, dass in manchen Ländern die Menschen mehr sparen und in anderen weniger. In manchen sorgen sie gut für ihre Zukunft vor, in anderen wiederum tendenziell schlechter. Und auch beim Rauchen, beim Sport und bei vielen anderen Faktoren sind kleinere oder grössere Unterschiede zu beobachten, die bisher meist historisch, soziologisch, kulturell oder psychologisch begründet wurden.

Keith Chen, Ökonom an der UCLA Anderson School of Management, hat nun untersucht, ob vielleicht auch die Grammatik der gesprochenen Sprache auf diese Verhaltensmuster wirkt („The Effect of Language on Economic Behaviour: Evidence from Savings Rates, Health Behaviours, and Retirement Assets“).

Ihn interessiert darin vor allem, wie wir von der Zukunft sprechen: Sprachen werden von Linguistikern als stark beziehungsweise schwach zukunftsbezogen klassifiziert. In den meisten deutschsprachigen Regionen etwa wird das Futur nicht streng nach Lehrbuch gesprochen. Wenn Regen für den nächsten Tag angekündigt ist, heisst es „Morgen regnet es“ anstatt „Morgen wird es regnen“. Im Mandarin wiederum kennt man gar keine zeitliche Unterscheidung, hier kann man „Es regnet“ auch sagen, wenn die Strasse schon lange wieder trocken ist. Ganz konträr dazu, weil stark zukunftsbezogen, sind die romanischen Sprachen und das Englische. Hier gilt für das Wetter morgen einzig und allein: „Tomorrow it will rain.“

Für Chen ergab sich aus dieser Unterscheidung die Frage, ob diese auch mit dem langfristigen Verhalten der Sprechenden korreliert – bei Sparen und Altersvorsorge, Bewegung und Fitness, Nikotinentwöhnung und dem Einsatz von Kondomen. All dies erfordert vom Einzelnen, konkrete Ziele zu verfolgen, die oft weit in der Zukunft liegen, und sich dann obendrein auch nicht von den Verführungen des Hier und Jetzt abhalten zu lassen.

Die Ergebnisse untermauern Chens Annahmen – und bieten auch eine gute Nachricht für all jene, die eine schwach zukunftsbezogene Sprache wie Deutsch sprechen. Es sind nämlich gerade die Sprachen mit einer grammatikalisch strengen Futur-Regelung, die ihre Sprecher zu einem eher kurzfristig orientierten Verhalten verleiten: Sparziele werden dort seltener eingehalten, es wird mehr geraucht, die Verhütung wird gelegentlich vernachlässigt.

Die Wurzeln dieses Zusammenhangs bleiben allerdings vorerst noch ungewiss. Möglicherweise ist es ja nicht die Sprache selbst, die solche Verhaltensmuster hervorruft. Sie könnte auch der Spiegel grundlegenderer Kulturunterschiede sein, die sich dann eben in der Sprache ausdrücken.

Chen dazu:

[…] the possibility that language acts only as a powerful marker of some deeper driver of intertemporal preferences cannot be completely ruled out. This possibility is intriguing in itself, as the variation in future-time reference that identifies my regressions is very old. In Europe for example, most Germanic and Finno-Ugric languages have been futureless for hundreds of years.

Auch wenn es noch viele Folgestudien zu diesem spannenden Thema braucht, lässt sich trotzdem schon jetzt ein Fazit ziehen: Mit der Grammatik zeichnet sich ein weiterer Einflussfaktor ab, der auf das Verhalten während eines Menschenlebens wirkt. Und wie viele andere ist er Menschen weder bewusst, noch lässt er sich steuern.

Sehen Sie hier auch noch einen TED-Talk von Keith Chen über seine Erkenntnisse zum Zusammenhang von Sprache und Verhalten: