Die soziale Bedeutung frühkindlicher Förderung in Entwicklungsländern

Das frühkindliche Stadium ist ausschlaggebend für die Entwicklung kognitiver und psychosozialer Fähigkeiten. Eine aktuelle Studie belegt, dass in dieser Zeit die Schlüsseldeterminanten für eine spätere Einkommenssituation beeinflusst werden können.

Die soziale Bedeutung frühkindlicher Förderung in Entwicklungsländern

Dass frühkindliche Förderung dafür sorgen kann, den späteren Lebenserfolg – gemessen an sozialen und ökonomischen Faktoren – beeinflussen kann, ist mittlerweile durch viele Langzeitexperimente belegt (Vgl. dazu auch diesen Text von Prof. Ernst Fehr). Diese Experimente wurden meist in der westlichen Hemisphäre durchgeführt.

Doch nun zeigt die Folgeunersuchung der so genannten „Jamaikanischen Studie“ von Walker et al. aus den Jahren 1986/87 auch, wie entsprechende Massnahmen die Lebenskarrieren von Kindern in Entwicklungsländern beeinflussen können.  (Labor Market Returns to Early Childhood Stimulation: a 20-year Followup to an Experimental Intervention in Jamaica)

Anreize zur besseren kognitiven Entwicklung

1986/87 wurden 129 entwicklungsverzögerte Kleinkinder zwischen neun und 24 Monaten aus einem Armenviertel in Kingston/Jamaika per Zufallsverfahren in vier Gruppen geteilt.

Während der zwei Jahre Beobachtungszeitraum wurde die erste Einheit mit notwendigen Nahrungsergänzungen versorgt. Für die zweite Gruppe stand eine wöchentliche Spielstunde am Programm, die der kognitiven Entwicklung dienen sollte. Auf die Sprachentwicklung wurde dabei besonderer Wert gelegt. Ausserdem wurden psychosoziale Anreize intensiviert, indem den Müttern gezeigt wurde, wie durch intensivere Beschäftigung mit dem Kind und grosszügigem Einsatz von Lob das Selbstbewusstsein der Kleinen gesteigert werden konnte.

Die dritte Gruppe erhielt beides: bessere Nahrung und Erziehungsförderung. Die letzte Einheit wurde als Kontrollgruppe nicht beeinflusst. Eine externe Kontrollgruppe von unauffällig entwickelten Kindern wurde ebenfalls gebildet.

Für die aktuelle Folgestudie konnten 105 der damaligen Studienteilnehmer gefunden und interviewt werden. Man wollte heraus finden, wie sich die Intervention vor 20 Jahren auf die Einkommenssituation ausgewirkt hatte – und ob die damals entwicklungsverzögerten Kinder zu den normal entwickelten Altersgenossen aufholen konnten.

Kompensation von Entwicklungsverzögerungen

Es zeigte sich, dass das Durchschnittseinkommen der stimulierten Gruppe im Vergleich zur Kontrollgruppe innerhalb des Samples um 42% höher ist. Ausserdem hatten jene Kinder, die den didaktischen und psychosozialen Anreizen des Lernprogramms ausgesetzt waren, in der kognitiven Entwicklung derart aufholen können, dass kein Unterschied mehr zur externen Kontrollgruppe festzustellen war.

Das bedeutet: Bei rechtzeitigem Einsatz von Fördermassnahmen können Entwicklungsverzögerungen kompensiert und spätere Ungleichheiten reduziert werden.

Das jamaikanische Förderprogramm zeigt übrigens eindeutig stärkere Auswirkungen auf die Einkommenssituation der Probanden als in den USA durchgeführte vergleichbare Studien. Teilnehmer der Studiengruppe wanderten zum Beispiel eher in die USA oder Grossbritannien aus, was ihren Zugang zu Schulen und Arbeitsmarkt verbesserte. Offenbar scheint Entwicklungsförderung im frühkindlichen Alter besonders effektiv in Entwicklungsländern zu greifen.

Fazit:

  • Psychosoziale Anreize im Kleinkindalter können in einer benachteiligten Umgebung grosse Auswirkungen auf die spätere soziale Situation haben. Auch eine Intensivierung der Mutter-Kind-Beziehung wirkte sich darauf positiv aus.
  • Das jamaikanische Förderprogramm zeigt stärkere Auswirkungen auf die Einkommenssituation der Probanden als ähnliche, in den USA angesiedelte Studien.
  • Ehemalige Probanden wanderten zum Teil in Industriestaaten aus, was ihren Zugang zu Schulen und Arbeitsmarkt verbesserte.

Quellen:
Labor Market Returns to Early Childhood Stimulation: a 20-year Followup to an Experimental Intervention in Jamaica

Walker, S. P., C. A. Powell, S. M. Grantham-McGregor, J. H. Himes, and S. M. Chang (1991). Nutritional supplementation, psychosocial stimulation, and mental development of stunted children: the Jamaican study. American Journal of Clinical Nutrition 54 (4), 642{648.